10. Juli

Leider war dieser Platz nicht so gut beschattet wie der letzte, so dass uns die Sonne die gesamte Nacht über ins Wohnmobil schien und wir nicht so tief schlafen konnten, wie wir das gern getan hätten. Neben der fehlenden Dunkelheit setzte uns auch die Wärme zu, denn auch die tiefstehende Sonne hat hier eine unglaubliche Kraft und heizt unserem Düse ganz schön ein.

Deswegen waren wir schon relativ früh wieder auf den Beinen, frühstückten und machten uns auf die Weiterfahrt nach Kirkenes. Das heißt, wir würden heute die norwegische Grenze überqueren und waren schon sehr gespannt darauf, was uns dort erwartete. Wir hatten Schauergeschichten über eine Komplett-Durchsuchung von Wohnmobilen an der norwegischen Grenze gelesen, weil man nach Norwegen nur sehr wenig Alkohol und Tabakwaren zollfrei einführen darf, und auch einige Lebensmittel, wie z.B. Kartoffeln gar nicht nach Norwegen eingeführt werden dürfen.

Was wir tatsächlich erlebten, war ein Witz: An der Grenze stand grade mal ein Schild

und zwei, drei Kilometer weiter stand ein Schild, dass man sich in eine grüne oder eine rote Spur einordnen solle, je nachdem, ob man etwas zu verzollen hätte. Es waren aber gar keine solchen Spuren erkennbar und es war auch weit und breit kein Mensch zu sehen. Mal abgesehen davon, dass in den vergangenen zwei Monaten unsere schon anfangs nicht gerade üppigen Alkoholvorräte so weit zusammengeschrumpft waren, dass wir gar nicht die erlaubten zollfreien Mengen zusammenbekommen hätten. Aber wir hatten einen kleinen Sack Kartoffeln dabei und waren froh, dass niemand da war, um ihn uns wegzunehmen.

Am frühen Nachmittag trafen wir in Kirkenes ein, inspizierten erst mal das Städtchen und machten uns dann auf die Suche nach einem Kiosk oder Laden, in dem wir eine norwegische Datenkarte kaufen könnten, denn einige Kilometer nach der Grenze hatte unsere finnische Datenkarte – mit unbegrenztem Datenvolumen um günstiges Geld – leider den Dienst eingestellt. Wir werden sie erst wieder in Schweden benutzen können, aber immerhin.

Wir fanden tatsächlich einen Laden, der uns eine Prepaid-Karte ausstellte, die wir aber in einem anderen Laden in der Stadtmitte aufladen müssten. Wir verstanden zwar nicht, warum wir die Karte nicht direkt im selben Laden aufladen konnten, aber man versicherte uns, das ginge nicht und wir müssten in die Stadtmitte. Na gut, wir fanden einen Laden, in dem man bereit war, uns behilflich zu sein, aber das Aufladen funktionierte aus irgendwelchen technischen Gründen nicht und so mussten wir uns bis zum nächsten Tag gedulden.

Thomas fand einen tollen Stellplatz mit Sicht auf Kirkenes und den Hafen an einem Berg oberhalb der Stadt bei Park4Night, wir fanden ihn und es war tatsächlich noch ein schönes Plätzchen für uns frei, auf dem wir sogar ziemlich eben standen, so dass wir noch nicht einmal die Auffahrkeile herausholen mussten.

Und dann auch noch mit einer grandiosen Aussicht auf Kirkenes und den Bøkfjord, an dem Kirkenes liegt, der wiederum ein Seitenarm des riesigen Varangerfjords ist.

und einer netten Sicht auf den Hafen von Kirkenes

Auf dem Bild sieht man ungefähr in der Mitte, hinter dem blauen Zirkuszelt, den Wohnmobil-Stellplatz von Kirkenes, den wir uns angeschaut, aber nicht wirklich ansprechend gefunden hatten und der jetzige Platz war natürlich um Längen schöner! Trotzdem würden wir den Stellplatz morgen aufsuchen, um ein letztes Mal Abwasser und sonstige Dinge zu entsorgen und Frischwasser zu bunkern, bevor es noch weiter in die Polarwildnis gehen würde.

Außerdem konnten wir dem Hurtigruten-Fahrplan entnehmen, dass am nächsten Morgen um 9 Uhr ein Schiff anlegen würde und das würden wir von hier oben wunderbar beobachten können – einfach super.

11. Juli

Wieder war die Nacht sehr hell und warm, aber Thomas schlief trotzdem lange und hätte beinahe die Einfahrt des Hurtigruten-Schiffs verpasst, wenn Ruth ihn nicht rechtzeitig geweckt hätte.

Sehr kurzfristig entschlossen wir uns, doch runter zum Hafen zu fahren, um dem Schiff beim Anlegen zuzuschauen und wir kamen gerade rechtzeitig.

Es war schon interessant zuzuschauen, wie schnell das Schiff anlegt und in welcher Geschwindigkeit und Effizienz das Aus- und Beladen stattfindet. In Windeseile wurden große Klappen aus der Bordwand herabgelassen, Gabelstapler kamen herausgefahren und brachten Koffer und Paletten mit Waren, durch eine andere Klappe kamen die Passagiere heraus, manche mit Koffern und Handgepäck, um die Weiterreise anzutreten, andere nur mit Jacke und Rucksack ausgestattet, um Kirkenes unsicher zu machen.

Natürlich packte uns prompt die Lust, ein Stück mitzufahren und wir setzten uns auf eine Bank am Hafen und diskutierten, von wo bis wo wir fahren könnten. Aber wir haben ja unseren Düse dabei und fahren lieber weiter mit ihm durch die Gegend. Also schnell noch dem Womo-Stellplatz einen Besuch abgestattet, um zu entsorgen und Frischwasser zu bunkern und weiter geht die Reise.

Wir hatten gestern noch intensiv die Wettervorhersage für die nächsten Tage studiert und festgestellt, dass wir versuchen sollten, bis Donnerstag ans Nordkapp zu kommen, denn am Freitag sollte das Wetter umschlagen und erst mal eine ganze Weile kalt und auch feucht werden. Also entschlossen wir uns, die Fahrt Richtung Nordkapp anzutreten, denn die Route dorthin war von Kirkenes aus ungefähr 540 Kilometer lang – so weit würden wir an einem Tag gar nicht kommen. Die Hauptroute zum Nordkapp führt natürlich nicht über Kirkenes, so dass wir auch für dieses nächste Ziel Nebenstrecken fahren würden, die zum Teil nicht ganz so gut in Schuss sind und dementsprechend keinen Schnitt von 80 Stundenkilometern zulassen würden, wir müssten wahrscheinlich eher mit einem Schnitt zwischen 50 und 60 rechnen.

Unsere Fahrt führte uns zunächst am Varangerfjord entlang, wo wir allerdings erst mal einen Abstecher nach Bugoynes machten, weil wir gelesen hatten, dass dort Königskrabben-Safaris machen kann, das heißt, einen Fischer beim Fang von Königskrabben begleiten kann. Und man kann sie in einem kleinen Bistro direkt am Hafen von Bugoynes dann auch gleich verspeisen. Auf die Safari verzichteten wir, aber Königskrabben essen wollten wir trotzdem, also reservierten wir uns einen Tisch für 17 Uhr, um genügend Zeit zu haben, denn das Bistro schloss schon um 19 Uhr.

Glücklicherweise fanden wir einen Parkplatz direkt am Hafen, so dass wir es nicht weit bis zum Bistro hatten und dann ging die Sause los. Ruth bestellte einen Königskrabben-Teller, Thomas zog es vor, einen Fischeintopf zu essen. Die Königskrabbe kam mit einer Salatbeilage, Brot und Knoblauchmayonnaise sowie Mango-Salsa. Ruth hatte sehr viel Spaß beim Knacken der langen Arme, in denen richtig viel leckeres Krabbenfleisch steckte. Kaum zu glauben, aber von so einer Königskrabbe kann man sehr satt werden, so viel Fleisch steckt da drin, deutlich mehr als in einem Hummer. Das Fleisch ist sehr zart und schmeckt süßlich und nach Meer, aber nicht so aromatisch wie Hummer- oder Langustenfleisch. Aber trotzdem sehr lecker!

Thomas war von seinem Fischeintopf nicht so ganz satt geworden und bei Ruth ging auch noch was rein, also bestellten wir kurz entschlossen noch einen Lava-Kuchen und eine Pavlova zum Nachtisch.

Beides kannten wir schon aus Frankreich und Thomas liebte vor allem den Lava-Kuchen mit seinem flüssigen Schokoladen-Inneren. Trotzdem probierte er als erstes die Pavlova, eine Mixtur aus Baiser, Schlagsahne und Obst, die er früher eher ablehnte und stellte fest, dass das zu seinem neuen Lieblings-Nachtisch werden könnte. Auch der Lava-Kuchen war echt lecker und so verließen wir pappsatt das nette Bistro, das inzwischen rappelvoll war.

Eigentlich hatten wir vor, nach dem Essen in Bugoynes ein hübsches Übernachtungsplätzchen zu suchen, aber es war noch früh am Abend und so hell, dass wir spontan beschlossen, noch weiter zu fahren. Wir fuhren zurück auf die Straße, die am Varangerfjord entlang führt, vom Ende des Fjords ging es dann über eine Ebene mit unzähligen Seen an den Tana Fluss, den wir überquerten und ein Stück entlang fuhren, danach bogen wir nach Westen ab und fuhren entlang verschiedener Arme des Tanafjords nach Kunes am Laksefjord, wo wir eigentlich übernachten wollten. Aber der dortige Campingplatz machte uns so gar nicht an, also fuhren wir noch ein Stück weiter und landeten in einer fast mondähnlichen Ödnis aus Steinen, Sümpfen und Gestrüpp.

Endlose Rentierzäune zogen sich die Straße entlang, aber die Umgebung wirkte so öde, dass wir uns kaum vorstellen konnten, dass hier wirklich Rentiere leben. Ungefähr 20 Kilometer hinter Kunes fanden wir einen Platz abseits der Straße, wo unser Wohnmobil einigermaßen eben stehen konnte und richteten uns für die Nacht ein, denn es war mittlerweile schon 23 Uhr – allerdings immer noch taghell.

12. Juli

Um 4:40 Uhr war es in unserem Wohnmobil bereits fast unerträglich warm und so hell, dass wir uns nur noch herumwälzten, statt zu schlafen. Kurz entschlossen standen wir auf, putzten uns die Zähne und was sonst noch so an uns zu putzen war und machten uns wieder auf den Weg – Frühstück würde es später geben, an einem netteren Platz. Es waren noch ungefähr 50 Kilometer bis Lakselv am Porsangerfjord zu fahren, wo wir auf die E6 treffen würden, die Hauptroute zum Nordkapp.

Es stellte sich heraus, dass wir gestern den besten Teil der Straße gefahren, denn plötzlich wurde die breite, wunderbar glatt asphaltierte Straße 98 schmaler und welliger und gar nicht mehr so gut zu fahren. Dafür wurde die Landschaft freundlicher und vor allem grüner und wir kamen wieder an vielen Seen vorbei. Hier ist ja eigentlich klassisches Elch-Gebiet und wir hofften bei jedem See, dass da mal einer drinstünde, aber wir sahen keinen einzigen. Ist wohl unser Schicksal. Am Porsangerfjord fanden wir dann unseren idealen Frühstücksplatz mit wunderbarer Aussicht

Der hätte uns natürlich auch schon für die Übernachtung sehr gefallen, aber dafür war er gestern einfach zu weit weg gewesen. Macht nichts, war toll hier zu frühstücken.

Ab Lakselv fuhren wir wieder auf der Nordkap-Hauptroute und hatten daher eigentlich mit einer breit ausgebauten Straße gerechnet, uns aber getäuscht. Die schmale und wellige Straße ging so weiter und führte uns am Porsangerfjord entlang, an dem auch viele kleine Ansiedlungen und Ortschaften liegen, so dass man auch hier, trotz E69, nicht so schnell vorwärts kommt, wie wir angenommen hatten. Ist aber nicht schlimm, denn es gibt viel zu sehen.

Faszinierend ist, wie schnell sich die Landschaft immer wieder verändert. Mal fährt man an einem traumhaften Fjord mit kristallklarem, blau, grün oder türkis leuchtendem Wasser entlang, mal über einen Höhenrücken, auf dem man den Eindruck hat, sich im Hochgebirge zu befinden und dann kommt man wieder durch niedrigen Birkenwald und hin und wieder sieht man sogar wieder kleinere Kiefernwäldchen. Was uns total überraschte, waren die Schneefelder, die wir immer mal wieder sahen, erst in der Ferne, jenseits des Fjords, später dann auch in der Nähe der Straße. Natürlich sind das nur Überreste in Senken und Kuhlen, wo die Sonne nicht so viel hineinscheint, aber wir haben Mitte Juli und über 20 Grad Lufttemperatur! Mit Schnee hatten wir da gar nicht mehr gerechnet.

Dann wich die E69 plötzlich vom Fjord ab und führte über Land und als wir wieder zum Fjord hinunter kamen stand da eine Schlange von Autos – hauptsächlich Wohnmobilen – und Motorrädern vor einem Tunneleingang, wir waren am Nordkapptunnel angekommen. Und wir hatten großes Glück, denn kaum hatten wir das Ende der Schlange erreicht, setzte sich das Führungsfahrzeug am Anfang in Bewegung und der ganze Pulk fuhr in den Tunnel – mitsamt uns. Super, keinerlei Wartezeit! Allerdings war uns nicht gleich klar, warum es überhaupt eine Wartezeit gab, denn der Tunnel war zweispurig. Es gab ein Warnschild, 9 % Gefälle und man solle bitte in niedrigem Gang fahren – häh? Ah ja, der Tunnel führt unter dem Fjordarm durch, der die Nordkapp-Insel vom Festland trennt. Also erst 2 Kilometer den Berg runter unter den Meeresboden, dann eine Strecke geradeaus und dann wieder 2 Kilometer aufwärts, bis man auf der anderen Seite auf der Nordkappinsel herauskommt. Kurze Zeit später geht es durch einen zweiten Tunnel, der immerhin auch 4,5 Kilometer lang ist, aber nur unter einem Berg durchführt und dann führt einen die E69 in Zickzack beziehungsweise großen Schleifen die restlichen 20 Kilometer bis zum Nordkapp.

Dort angekommen mussten wir erst einmal ein Einlasshäuschen passieren, wo wir aufgeklärt wurden, dass der Parkplatz und der Eintritt zum Nordkapp frei wären, aber wenn wir die Nordkapphalle besuchen wollten, wo ein Cafe, ein Souvenirshop, ein Restaurant sowie Toiletten und ein Kino zu finden sind, müssten wir 320 norwegische Kronen bezahlen. Da wir keinen Bedarf für Cafe, Souvenirs o.ä. verspürten, erklärten wir, nur parken zu wollen und wurden weitergewinkt.

Bei der Anfahrt auf den Parkplatz fällt einem als erstes die Nordlandhalle mit ihrem großen Bommel auf dem Dach auf, links davor ist dann der Parkplatz, auf dem wir uns ein Plätzchen suchen wollten.

Der Nordkapp-Parkplatz ist groß, aber er stand schon fast voll mit Wohnmobilen, die normalen PKW waren deutlich in der Unterzahl. Trotzdem fanden wir einen Super-Platz direkt vor der Nordkapphalle mit Sicht Richtung Meer – und auch noch so eben, dass wir hier problemlos auch die Nacht verbringen könnten. Toll!

Schnell war eingeparkt und wir marschierten die paar Meter bis zum Aussichtsplateau und der berühmten Weltkugel. Es war sehr, sehr windig aber auch sehr warm, kaum vorstellbar, dass wir uns am nördlichsten Punkt Europas befanden. Was ein Glück, das Nordkapp bei gutem Wetter erleben zu können!

Die Küstenlinie rechts und links zeigt ähnliche Felsvorsprünge wie das Nordkapp selbst und es ist schwierig zu verstehen, dass dies wirklich der nördlichste Punkt sein soll – die andern Vorsprünge scheinen teilweise weiter hinauszureichen.

Aber das ist wohl nur eine optische Täuschung, schlaue Leute werden das ja schon richtig vermessen haben, dass wir jetzt am nördlichsten Punkt von Festland-Europa stehen. Obwohl das ja ein bisschen getürkt ist, denn das Nordkapp ist in Wirklichkeit auf einer Insel und nicht mehr auf dem Festland, wenn auch nur durch einen schmalen Meeresarm von ihm getrennt.

Wir erkundeten das ganze Plateau und kehrten dann zur Nordlandhalle zurück, für die wir ja keine Tickets gekauft hatten.

Allerdings konnten wir nicht so ganz verstehen, weshalb man Eintritt für den Besuch eines Souvenirshops bezahlen müsste und probierten kurzerhand einfach aus, die Halle zu betreten. Und tatsächlich, niemand interessierte sich für die Frage, ob wir ein Ticket haben oder nicht. Also gab es kein Halten, das Magnetangebot des Souvenirshops wurde intensivst geprüft und wir fanden auch einen Nordkapp-Magnet, der uns richtig gut gefiel.

Nachdem das so gut geklappt hatte wurde Thomas übermütig und bestand darauf, dass wir auch noch Kaffee trinken gehen, also holten wir uns erst einen Cappuccino und einen Milchkaffee mitsamt Pain au chocolat und fanden einen schönen Aussichtsplatz im Café, an dem wir alles genießen konnten – den Kaffee, das Pain au chocolat, das übrigens sehr gut war, und die Aussicht auf’s Meer.

Nachdem wir am Morgen ja schon sehr früh auf den Beinen gewesen waren, überfiel uns jetzt die Müdigkeit und wir zogen uns in unseren Düse zurück, um ein ausgiebiges Mittagschläfchen zu halten. Das wurde nur unwesentlich gestört von gelegentlichen Landungen beziehungsweise Starts des Hubschraubers, der offensichtlich immer wieder zahlungskräftige Touristen ans Nordkapp brachte und seinen Landeplatz ungefähr 100 Meter von uns entfernt neben der Nordkapphalle hatte. Wir hatten ihn schon bei unserer Erkundung des Nordkapp-Plateaus gesehen, wie er zunächst das Nordkapp mehrfach umrundete und in der Luft stehen blieb, damit die Insassen ihre Fotos machen konnten, um anschließend dann zu landen, damit die Touristen das Nordkapp auch zu Fuß besuchen konnten. Ein kleines bisschen Neid kam bei Ruth schon auf, die für ihr Leben gern Hubschrauber fliegt – aber wir waren ja schon da und brauchten keinen Hubi mehr – nächstes Mal vielleicht.

Als wir ausgeschlafen hatten, war es schon Abend und wir machten es uns mit unserem Abendessen gemütlich – es würde ja noch eine paar Stunden dauern, bis wir die Mitternachtssonne sehen würden. Aber mit Abspülen, Aufräumen und Lesen ging die Zeit dann doch schnell vorbei und da war sie

die Mitternachtssonne! Es war anders, als wir es uns vorgestellt hatten, sie geht gar nicht bis zum Horizont herunter, sondern nur bis zu einer gewissen Höhe und wandert dann auf dieser Höhe allmählich von Westen nach Norden und weiter nach Osten, wo sie wieder in den Himmel aufsteigt. Jetzt endlich konnten wir verstehen, warum wir in den vorangegangenen Tagen auch noch nachts um 1 Uhr hellen Sonnenschein im Wohnmobil gehabt hatten.

Inzwischen war der Parkplatz wirklich rammelvoll mit Wohnmobilen, da standen mindestens 50 von ihnen und zusätzlich waren noch einige Busse gekommen, die Touristen aus Honningsvag oder anderen Orten zur Mitternachtssonne gebracht hatten. Entsprechend voll war es auf dem Plateau mit der Weltkugel, aber von etwas weiter oben hatte man eine prächtige Sicht sowohl auf die Weltkugel, als auch auf die Sonne.

Wir fühlten uns sehr privilegiert, dieses Schauspiel bei derart schönem Wetter erleben zu dürfen. Entsprechend angeregt kehrten wir zum Düse zurück und brauchten noch eine ganze Weile, bis wir eingeschlafen waren.

13. Juli

Auch heute Morgen schien die Sonne so intensiv in den Düse, dass wir trotz spätem Zubettgehen schon relativ früh wieder wach waren. Wir ließen es aber trotzdem ruhig angehen und öffneten erst mal sämtliche Klappen und Fenster, um die frische Luft zu genießen, die allerdings schon wieder angenehm warm war. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns auf die Rückfahrt vom Nordkap und die Weiterfahrt nach Hammerfest. Die lustigen Rentiere, die uns bei der Herfahrt auf der Kvalsundbrücke begegnet waren, kampierten immer noch dort – aus irgendeinem Grund scheinen sie die Brücke attraktiv zu finden.

Die hiesigen Autofahrer scheinen die Tiere zu kennen, denn keiner kümmerte sich weiter um sie sondern kurvte nur vorsichtig um sie herum, auch gestern der Fahrer des Müllwagens, der vor uns über die Brücke fuhr. Die Rückfahrt erschien uns heute länger als gestern die Anfahrt, wahrscheinlich weil wir heute kein so aufregendes Ziel mehr ansteuerten. Trotzdem gab es immer wieder schöne Ausblicke, wenn auch der Himmel nicht mehr ganz so klar und wolkenlos war wie gestern.

Und dann ging’s plötzlich doch ganz schnell, dass Hammerfest vor uns lag, die „Stadt der Eisbären“, wie sich die Stadt selbst nennt, den Grund dafür konnten wir allerdings nicht erschließen, außer dass an verschiedenen Stellen Eisbären-Statuen herumstanden

Hammerfest überraschte uns sehr angenehm mit einem schönen Wohnmobil-Stellplatz am Hafen, der alles bot, was der Wohmobilist so braucht, Entsorgungsmöglichkeiten für Kasettentoilette und Abwasser und gleich zwei Frischwasser-Anschlüsse, um den Wassertank aufzufüllen. Nach ein bisschen Kampf mit dem Parkautomat hatten wir unseren Obulus für die Übernachtung bezahlt und konnten in Ruhe Hammerfest erkunden. Wobei man ehrlich sagen muss, dass die Sehenswürdigkeiten überschaubar sind.

Das wichtigste Monument ist die Struve Meridiansäule, die daran erinnert, dass der Astronom und Mathematiker Friedrich Georg Wilhelm Struve mit finanzieller Unterstützung des russischen Zaren Alexander I. und zusammen mit dem Astronom und Geodät Georg Tenner einen Nord-Süd-Meridianbogen von Hammerfest bis ans Schwarze Meer vermaß und damit zur Vermessung der Welt und Festsetzung der Grenzen in Europa nach den Napoleonischen Kriegen beitrug.

Die Säule steht auf der Fulgenes-Halbinsel, die vor Hammerfest liegt und seit Juli 2005 zum UNESCO Welterbe zählt. Dort lag der erste Messpunkt, an dem Struve mit seinen Messungen ansetzte, die sich über mehr als 2.800 Kilometer erstreckten. Und das zu einer Zeit, als die Menschen noch in Kutschen reisten – die Anstrengungen, mit denen das verbunden gewesen sein muss, kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Außerdem gibt es noch so eine Art Flaniermeile am Hafen, wo die regionalen Schnellboote liegen und wo sich auch einige Restaurants und Kneipen befinden, die sich auf die Bedürfnisse der Schnellboot-, Hurtigruten- und Kreuzfahrtschiff-Passagiere eingestellt haben, die in Hammerfest anlegen. Ansonsten sieht man der Stadt an, dass sie ihr Geld in erster Linie mit Erdöl, Erdgas und damit verbundenen Industrien verdient und nicht unbedingt mit dem Tourismus, der scheint hier eher eine Nebenrolle zu spielen.

Nach einem Bummel über die Flaniermeile und einem Besuch bei der örtlichen Einkaufsmall mit Vinmonopolet, der norwegischen Alkohlverkaufs-Kette, zogen wir uns in den Düse zurück, um noch ein bisschen die Aussicht zu genießen und früh schlafen zu gehen.

14. Juli

Wir schliefen richtig angenehm lange und gönnten uns ein ausgiebiges Frühstück. Ruth hatte sich in den Kopf gesetzt, frischen Fisch zu kaufen und so klapperten wir alle Läden in der Umgegend ab – vergebens. Offensichtlich fangen die Norweger ihren Fisch selbst und die Hurtigruten- und Kreuzfahrtpassagiere bekommen ihn auf den Schiffen fertig zubereitet serviert, also ist der Bedarf wohl nicht groß genug, um ein Angebot im Laden zu rechtfertigen. Schade, aber wenigstens haben wir’s probiert. Ein weiterer Abstecher zum Vinmonopolet ergänzte unseren Weißweinbestand um zwei Flaschen, mehr wollten wir uns nicht leisten, denn die Preise waren gesalzen – Norwegen halt.

Die größte Sehenswürdigkeit des heutigen Tages fanden wir eher durch Zufall. Thomas wollte nach über 8.000 gefahrenen Kilometern mal den Reifendruck des Wohnmobils messen und ggf. korrigieren und Ruth erspähte ein funktionierendes Luftdruckgerät an einer Circle-K-Tankstelle. Die war zwar etwas ungünstig platziert, aber nach ein bisschen Rangieren konnten wir messen und während wir das taten, öffnete sich plötzlich neben unserem Wohnmobil ein großes Tor und eine Frau fuhr in die dahinterliegende Waschstation ein, die richtig groß war. Nachdem die Frau ihr Auto gewaschen hatte, nahmen wir Augenmaß und schätzten, dass unser Wohnmobil sowohl in der Höhe wie auch in Breite und Länge hineinpassen müsste und Thomas manövrierte unseren Düse vorsichtig in die Halle – sie passte wie für ihn gemacht! Jetzt gab es eine umfangreiche Pflegedusche mit Hochdruckspritze und Schaumbürste, um den Schmutz der ersten 11.000 Kilometer seines Lebens loszuwerden. Düse erstrahlte in neuem Glanz!

und wir waren hinterher ziemlich feucht, aber glücklich.

Nach diesem Wohmobil-Wellness-Happening verabschiedeten wir uns von Hammerfest und fuhren weiter in Richtung Alta. Dort gibt es das Alta Museum, das ein Weltkulturerbe hegt und pflegt. Es handelt sich dabei um jungsteinzeitliche Felsritzungen, die zwischen 5.000 und 7.000 Jahre alt sind und erst in den 1960er Jahren durch Zufall wiederentdeckt worden waren. Einem Fischer waren im Licht der schrägstehenden Sonne seltsame Muster auf einem Felsen aufgefallen und er hatte seinen Bürgermeister auf den Fund aufmerksam gemacht, der veranlasste, dass die Felsen gesäubert wurden um zu untersuchen, was es mit diesen Mustern auf sich hat.

In dem Vorort Hjemmeluft, auf samisch Jiepmaluokto fand man seit dem Zufallsfund über 6.000 einzelne Ritzungen, die meisten davon Tiere wie Bären, Elche, Rentiere und Wale, aber auch Abbildungen von Menschen und Booten sowie Jagdszenen und vermutlich Abbildungen von rituellen Handlungen, denn einige Darstellungen werden als Schamanen interpretiert, weil es sich um menschliche Figuren mit Kopfschmuck wie Elchgeweihen oder ähnlichem handelt.

Es gibt ein Areal, in dem die Ritzungen mit Farbe betont werden, um sie besser sichtbar zu machen, in einem anderen Areal wurden die Felsen nur gesäubert, damit man die Ritzungen sehen kann, aber nicht mit Farbe behandelt.

Man kann insgesamt über drei Kilometer durch die Anlage wandern, die sehr, sehr schön angelegt ist und die verschiedenen Felsritzungen bewundern

das wirklich Spektakuläre an dem Museum ist allerdings das Gesamterlebnis von Natur und uralter Felskunst und so waren wir richtig lange auf dem Gelände unterwegs und konnten uns kaum sattsehen.

Alta  hat noch eine weitere Sehenswürdigkeit zu bieten, die Nordlichtkathedrale, ein sehr moderner Bau, der in seiner verschlungenen Form die Windungen des Nordlichts nachempfinden soll, die man im Winter hier am Himmel beobachten kann.

Sie soll auch innen sehr schön gestaltet sein, war aber leider für ein privates Event geschlossen, so dass wir sie nicht besichtigen konnten. Wir gaben ihr zwar eine Chance und gingen erst mal Pizza essen, aber selbst danach war sie immer noch nicht zugänglich und so blieben uns nur die Fotos, die man im Internet vom Inneren finden kann

https://de.wikipedia.org/wiki/Nordlichtkathedrale#/media/Datei:Inne_i_Nordlyskatedralen.jpg

Die Nacht verbrachten wir – ähnlich wie in Hammerfest – auf einem Stellplatz am Hafen, den wir über die App park4night gefunden hatten. Diese App hatte uns schon die ganze Reise über immer wieder gute Dienste geleistet und ist wirklich die 10 Euro wert, die wir für unsere Registrierung bezahlt hatten. Sehr empfehlenswert, da die dort gelisteten Plätze nicht nur beschrieben sind, sondern auch Kommentare von anderen Nutzern der Plätze hinterlegt sind, aus denen man sich ein ganz gutes Bild machen kann, ob der Platz für einen passt oder nicht.

15. Juli

Abschied von Alta nach einer ruhigen Nacht und Weiterfahrt in Richtung TromsØ, allerdings empfahl unser WoMo-Führer einen Abstecher zum Ende des Oksfjords, wo man zu einem Ausläufer des großen Oksfjord-Gletschers wandern kann, der bis in den Jokelfjord hinunter reichen soll, das wollten wir uns nicht entgehen lassen.

Bei mäßig gutem Wetter fuhren wir zunächst den Langfjord entlang, um kurz vor dem nächsten Fjord von der Hauptstraße abzubiegen, um zum Jokelfjord nach Innervikselva zu fahren, wo der Wanderweg zum Gletscherende losgehen sollte. Die Straße ging steil den Berg hinauf, aber nach wenigen hundert Meter war erst mal Ende für uns. Ein Straßenbauarbeiter zeigte uns ein rotes Schild und erklärte uns, dass die Straße bis 17 Uhr wegen Bauarbeiten gesperrt sei. Er zeigte uns einen Halteplatz und meinte, es stehe uns frei, so lange zu warten, wenn wir wollten. Es war erst 15.30 Uhr und eigentlich wollten wir nicht anderthalb Stunden nutzlos rumstehen, andererseits wollten wir uns die Wanderung zum Gletscher auch nicht entgehen lassen. Also stellten wir das Wohnmobil ab und richteten uns auf eine längere Wartezeit ein.

Lustigerweise kam der Straßenbauarbeiter schon nach 10 oder 15 Minuten und verkündete, wir könnten jetzt durchfahren. Hä? Aber lieber nicht lange nachgefragt, sondern schnell gewendet und losgefahren, bevor er es sich wieder anders überlegte. Kurze Zeit später sahen wir die Bauarbeiten, die Straße wurde komplett neu gemacht und unser Düse musste eine ganze Strecke lang den Berg hoch durch ein hohes, lockeres Sand-Stein-Gemisch waten, was ihm gar nicht gefiel, aber er schaffte es dann doch durch und einige Hundert Meter weiter war dieses Gemisch dann schon so weit befestigt, dass man wieder einigermaßen fahren konnte. Allerdings hatten die Räder das Gemisch hoch in die Radkästen und den ganzen Aufbau entlang geschleudert, so dass bald von der Wäsche in Hammerfest nichts mehr zu sehen war.

Wir konnten es nicht mehr ändern, also fuhren wir den Berg wieder hinunter bis zum Fjord, an dem sich eine winzige, einspurige Straße entlang zog. Wir hatten zwar keine Ahnung, wie wir mit etwaigem Gegenverkehr umgehen würden, fuhren aber getrost weiter, irgendwie würde es schon gehen. Die Straße endete in einem kleinen Parkplatz mit mehreren eingezeichneten Stellflächen und einem Wendehammer, es gab sogar eine Trockentoilette! Schnell entschieden wir uns für die Stellfläche, die uns am ebensten erschien und parkten – wir waren froh, angekommen zu sein. Das Wetter sah gar nicht mehr gut aus, der Himmel hatte sich mit dicken, dunkelgrauen Wolken bezogen und kurze Zeit später begann es auch tatsächlich zu regnen. Aber unsere Wetter-App behauptete beharrlich, dass am nächsten Tag wieder die Sonne scheinen würde, also gut.

16. Juli

Es hatte heftig gepladdert und auch ein bisschen gewittert über Nacht, aber als wir aufwachten, war es schon wieder so hell im Wohnmobil, dass wohl die Sonne scheinen musste. Und tatsächlich hatte unsere Wetter-App recht, die Sonne kam mehr und mehr heraus und die Wolken verschwanden allmählich. Die Aussicht war schon wieder ein Traum und wir waren neugierig auf den Gletscher, den wir einige Hundert Meter den Wanderweg entlang sehen könnten

Schnell war gefrühstückt und dann warfen wir uns in unsere neuen Wander-Klamotten, um loszumarschieren. Der Wanderweg begann – wie alle anderen bisherigen Wanderwege – gut markiert und einfach zu gehen, das änderte sich aber schon sehr schnell in die übliche holprige Mixtur aus Wurzeln und Steinen, auf der man nur langsam vorwärts kommt. Wenigstens gab es keine großen Höhenmeter zu überwinden, der Weg ging mal ein paar Meter oberhalb des Fjords entlang, aber auch direkt am Wasser, wo man dann allerdings über Geröll wanderte, das auch nicht immer ganz fest war. Aber alles egal, die wunderbaren Aussichten, die sich immer wieder auftaten, machten das locker wett.

wie man sieht, gab es auch ein paar Bäche zu überqueren – dank unserer wasserfesten Wanderschuhe und den passend zurechtgelegten Trittsteinen kein großes Problem, aber dieser Bach war dann doch zu tief und reißend. Der Wanderweg ging zwar weiter, aber nicht über den Bach, sondern so steil den Berg hoch, dass es in Klettern ausarten würde und daher war für uns hier Schluss. Nach einem weiteren wunderbaren Blick auf den Gletscher und seinen Wasserfall drehten wir um und marschierten wieder zurück.

Schade zwar, dass wir nicht bis nach ganz hinten vordringen konnten, aber es war auch so eine sehr, sehr schöne Wanderung. Nach der Rückkehr zum Wohnmobil gab es erst mal ein kräftiges Vesper für die hungrigen Wanderer und dann machten wir uns auf die Rückfahrt in der Hoffnung, dass die Straßenbauarbeiten gestern noch etwas weitergegangen waren und wir nicht mehr durch dieses tiefgründige Sand-Stein-Gemisch würden fahren müssen. Am Beginn der winzigen, einspurigen Straße kam uns plötzlich ein vollbesetzter Reisebus entgegen – na wenn der den Berg geschafft hatte, dann dürfte es für uns kein Problem sein. Und so war es dann auch, die Straße war komplett glattgewalzt und zwar steinig, aber einfach zu fahren.

Wir setzten unsere Reise Richtung TromsØ fort und landeten am späteren Nachmittag am Ende des Burfjords, wo ein weiterer schöner Stellplatz direkt am Fjord auf uns wartete. Es standen zwar schon einige Wohnmobile dort, aber seitlich am Ende des Stellplatzes war noch ein schönes Eckchen, wo wir uns niederlassen konnten, wieder mit wunderbarer Sicht auf den Fjord. Direkt vor uns führten zwei Anlegestege für Boote in den Fjord, an deren Ende Einstiegsleitern angebracht waren, so dass man problemlos schwimmen gehen konnte. Drei Jugendliche nutzen die Stege weidlich, allerdings sprangen sie direkt ins Wasser – wozu soll man denn auch eine Leiter nutzen, wenn man springen kann! Ruth überlegte eine Weile, war aber so müde von der Wanderung, dass sie es beim Zuschauen bewenden ließ.

Das war eine sehr erlebnisreiche Woche gewesen!