11. Mai

Wir hatten eine sehr ruhige Nacht auf dem Parkplatz direkt vor der Kathedrale von Frombork, das wir am Vorabend noch mit einem Spaziergang erkundet hatten, nur um festzustellen, dass in diesem Ort so gut wie nichts los ist. Man rechnet zu dieser Jahreszeit offensichtlich noch nicht mit Touristen, denn so gut wie nichts ist geöffnet, aber Bauarbeiten lassen vermuten, dass man sich auf einen größeren Touristenstrom später im Jahr vorbereitet. Die Kathedrale sah im Abendlicht schon sehr schön aus und wir freuten uns schon auf die Besichtigung am nächsten Tag.

Die Kathedrale ist angeblich die größte Backsteingotik-Kathedrale der Welt und sie ist einfach wunderschön. Wir hatten herausgefunden, dass um 11.30 Uhr eine Orgel-Demonstration stattfinden sollte und wollten das unbedingt erleben, also ließen wir uns Zeit mit der Besichtigung. Leider wurde im Altarbereich heftig gearbeitet, so dass man nicht überall Zugang hatte, aber es gab auch so genug zu schauen.

Die Orgel-Demonstration war toll, die Musik war zum Weinen schön, man sollte das auf keinen Fall verpassen, wenn man in der Gegend ist. Es waren nur ungefähr 20 Personen in der Kirche und so konnten wir uns direkt hinter den Organisten setzen und ihm beim Spielen zuschauen. Seine Erklärungen während der Demonstration waren zwar in polnischer Sprache, aber er war sehr freundlich und erklärte und demonstrierte im Nachgang dann noch alles in Englisch, was wir wissen wollten. Ein wunderbares Erlebnis.

Und der Tag hatte noch mehr zu bieten: Wir hatten gelesen, dass es ein ganz besonderes Schiffshebewerk im oberländischen Kanal gibt, der vom Frischen Haff nach Elblag und weiter über Osterode ins Landesinnere führt. Also fuhren wir nach Buczyniec, um uns das anzuschauen und auch mitzufahren.

Das Interessante an diesem Schiffshebewerk ist die angewendete Technik: Die Schiffe werden im Wasser auf Tragwerke aufgefahren, die dann auf Schienen eine Böschung hinaufgezogen beziehungsweise herabgelassen werden, um dann im nächsten Kanalabschnitt vom Tragwerk herunter zu schwimmen und weiter zu fahren bis zum nächsten Hebewerk. Das passiert insgesamt fünf Mal und so können die Schiffe fast 100 Meter Höhenunterschied überwinden. Wir hatten Glück und konnten eine Fahrt von Buczyniec bis Jelenie mitmachen.

Das sind die Räder, die die Stahlseile ziehen, an denen die Tragwerke mit den Schiffen darauf gezogen werden. Angetrieben werden sie durch ein riesiges Wasserrad, das an einem Maschinenhäuschen auf der Seite des Kanals steht.

So sieht das Ganze vom Land gesehen aus

und so vom Schiff aus

Diese Anlage wurde schon 1860 in Betrieb genommen, um einen schnelleren und umfangreicheren Warentransport zwischen dem Frischen Haff und dem Landesinneren zu ermöglichen. In der Folge erblühte in dieser Gegend die Landwirtschaft sowie der Handel und Städte wie Elblag und Osterode, die am Kanal lagen, profitierten erheblich. Als im beginnenden 20. Jahrhunderts die Eisenbahn und Fahrzeuge mit Verbrennermotoren den Warentransport übernahmen, wurden Passagierfahrten die Haupteinnahmequelle auf dem Oberlandkanal und heute sind es die Touristen, die durch ihre Mitfahrten die Erhaltung dieses Technik-Denkmals ermöglichen.

Es war ein besonderes Erlebnis, langsam durch die idyllische polnische Landschaft auf dem Kanal zu fahren und immer wieder eine Böschung über Land hinunter zu fahren, obwohl man sich doch auf einem Schiff befindet. Mit einem Bus wurden wir anschließend wieder zurück nach Buczyniek gebracht und fuhren mit unserem Wohnmobil nach Osterode, um dort zu übernachten.

Osterode ist eine Kreisstadt an einem großen See, an dessen Ufer eine sehr schöne Uferpromenade entlang führt. Unweit dieser Promenade fanden wir einen ruhigen Parkplatz für unser Wohnmobil und gleich nebenan eine hübsche Tawerna, in der wir lecker zu Abend aßen.

12. Mai

Nach einer eher durchmischten Nacht – um drei Uhr morgens plötzlich lautes Motorengedröhn und Musik auf unserem Parkplatz – morgens ein netter Lauf auf der Uferpromenade von Osterode, wieder bei schönstem Wetter. Die Suche nach einem Cafe für’s Frühstück war leider erfolglos, auch in Osterode ist man noch nicht auf frühstückshungrige Touristen eingestellt, die Cafes öffnen erst später am Tag. Also kurz beim örtlichen Kaufland gehalten, um Brötchen zu kaufen, Frühstück gab’s dann gleich auf dem Kaufland-Parkplatz.

Als nächstes musste Barkweda angesteuert werden, das früher Bergfriede hieß und der Geburtsort von Ruth’s Großvater mütterlicherseits war. Die Fahrt dorthin gestaltet sich abenteuerlich, über 5 Kilometer Schotterpiste mit zum Teil tiefen Löchern mussten bewältigt werden, bevor das Ortsschild in Sicht kam:

Und so ursprünglich, wie es auf dem Bild aussieht, war der ganze Ort. Kein Wunder, dass der Opa da weg wollte! Ruth konnte eine Frau ansprechen, die gut Englisch sprach, der Name Nadolny war ihr zwar noch irgendwie geläufig, sie kannte aber keine Familie dieses Namens im Ort mehr. Wir hatten auch nicht ernsthaft erwartet, noch jemand zu finden, der sich an den Großvater erinnert, aber nett wäre es schon gewesen. Barkweda weist zwar stolz darauf hin, dass Napoleon hier genächtigt und eine Schlacht in der Nähe verloren haben soll, aber bis auf drei „Napoleon-Eichen“, die noch nicht mal so alt sind, hat der Ort wirklich gar nichts zu bieten, also fuhren wir weiter.

Weiter ging’s in Richtung der masurischen Seenplatte zu einem Campingplatz, der uns empfohlen wurde. Er liegt bei Tumiany, das wir erst mal mühsam auf der Landkarte suchen mussten. Der Ort ist so klein, dass es nicht mal Straßennamen gibt, aber sehr idyllisch gelegen. Der Campingplatz liegt direkt am See und ist bis auf ein weiteres Wohnmobil komplett leer, wir dürfen uns daher unseren Stellplatz aussuchen und wählen einen mit „Terrasse“ – das hatten wir noch nie!

Es ist wirklich herrlich hier, kleine Wellen plätscherten direkt vor dem Wohnmobil ans Ufer und hin und wieder schaute ein Schwan vorbei, ob es vielleicht was zu fressen gibt.

Es war Freitag und bis zum Abend kamen tatsächlich noch ein paar weiteren Wohnmobile, aber es blieb viel freier Platz zwischen den einzelnen Stellplätzen, so dass wir drei sehr ruhige und beschauliche Tage bei wunderbarem Wetter am Jezioro Pisz verbrachten. Das schöne Wetter verleitete uns sogar zum Tretbootfahren, was wir bestimmt seit 30 Jahren nicht mehr gemacht hatten und so gab’s noch ein Bild vom Wohnmobil vom See aus:

Wir verbrachten drei wunderbare Tage bei schönstem Wetter an dem See. Mittlerweile ist es fast schon richtig warm geworden, wir erreichten mittlerweile 21° Lufttemperatur – so kann’s weitergehen!