15. Mai 

Zum ersten Mal bei bedecktem Himmel packten wir unsere Siebensachen wieder ein – inzwischen ist das Einparken des Motorrollers in der Heckgarage für Thomas ein Kinderspiel – und verabschieden uns vom Schwan, der uns jeden Tag mindestens ein Mal besucht hatte.

Unser erster Stopp war in Mragowo, wo wir im Action Market noch ein paar Ausrüstungsgegenstände kauften: Einen ausziehbaren Fensterputzer, um die Insekten auch ganz oben von der Frontscheibe entfernen zu können und einen Outdoor-Teppich, den wir vor dem Eingang auslegen wollen, damit wir nicht mehr so viel Sand und Gras ins Wohnmobil schleppen. Wir kriegen die Heckgarage schon noch ganz voll!

Weiter ging es zur Wallfahrtskirche von Swieta Lipka, der Heiligenlindekirche, die gebaut wurde, weil sich dort unter einer Linde Wunder ereignet haben sollen, nachdem jemand eine Marienerscheinung gesehen haben soll. Die Kirche ist mittlerweile einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Polen und dementsprechend prächtig ausgestaltet

Der Altarraum und die Seitenkapellen sind bunt und mit viel Gold und Silber geschmückt und die Orgel ist sehr berühmt für ihre vielen beweglichen Figuren.

Wir konnten an einer Orgelpräsentation teilnehmen und fanden die Orgel toll, die beweglichen Figuren und das Glöckchengebimmel aber eher etwas kitschig – aber Kitsch soll ja gut für die Seele sein.

Weiter ging’s über Ketrzyn zur berühmten Wolfsschanze, die mehrere Jahre lang wohl das Führer-Hauptquartier im 2. Weltkrieg war. Mittlerweile war das Wetter vollends umgeschlagen und ein sanfter Landregen hatte eingesetzt, was wir aber ganz angenehm fanden, weil unser Wohnmobil auf den bisherigen Fahrten so viele Insekten abbekommen hatte, dass ihm eine Dusche wirklich gut tat.

Direkt an der Wolfsschanze gibt es einen großen Parkplatz mit angeschlossener Camping-Fläche, die sogar mit WC und Duschen ausgestattet ist. Zwei Wohnmobile standen schon da und wir suchten uns daneben einen einigermaßen ebenen Stellplatz, weil wir wegen einer Nacht nicht mit Auffahrkeilen herummachen wollten. Und es klappte prima, den Spaghetti zum Abendessen stand nichts mehr im Weg.

16. Mai

Die letzte Nacht regnete es immer mal wieder und es ist so gemütlich im Wohnmobil, wenn der Regen auf’s Dach trommelt! Weniger gemütlich fanden wir den Umstand, dass der Boden des Campingplatzes sich in feuchtem Zustand in Klumpen an die Schuhe hing und wir daher jede Menge Schmutz hereinschleppten, wenn wir das Wohnmobil verließen. Das zu verhindern war gar nicht einfach und ausklopfen nutzte auch nicht wirklich etwas, na ja, was soll’s, bei trockenem Wetter werden wir halt etwas putzen müssen.

Nachdem der Regen aufgehört hatte machten wir uns auf, die Wolfsschanze zu besichtigen. Es gab auch hier einen Audio-Guide, den wir uns holten und auch hier haben wir es nicht bereut. Die Erklärungen waren sehr ausführlich und gaben auch weitergehende Hintergründe, die uns teilweise so noch nicht bewusst gewesen waren. Zum Beispiel, dass es außer der Wolfsschanze noch mindestens 9 andere sogenannte Führerhauptquartiere gegeben hatte – was für ein ungeheurer Aufwand!

Das Gelände ist sehr gut angelegt und man sieht viele Baracken und Bunker und für jedes Gebäude gibt es eine ausführliche Erklärung, wofür es diente und wer es benutzte. Als Hitler im Herbst 1944 die Wolfsschanze verließ und nach Berlin zog gab er den Befehl, die Bunker zu sprengen. Das wurde zwar erst im Frühjahr 1945 umgesetzt, aber leider bedeutet das eben auch, dass man nicht mehr wirklich sehen kann, wie die Anlage ursprünglich aussah.

Die meisten Bauten sind gesprengt worden, aber zwei sind so erhalten, dass man durchgehen kann. Innen konnten wir einen Eindruck bekommen, wie unangenehm der Aufenthalt gewesen sein muss, unter Metern von Beton, ohne jegliches Tageslicht und bei gefilterter, umgewälzter Atemluft.

In einer der besser erhaltenen Baracken ist der Raum dargestellt, in dem das Stauffenberg-Attentat hier auf der Wolfsschanze stattgefunden hatte und gezeigt und erklärt, warum es nicht erfolgreich war. Auch eine Einzelheit, die wir bisher nicht wussten war, dass es insgesamt 40 geplante und zum Teil auch durchgeführte Attentate auf Hitler gegeben hatte, die er aber allesamt überlebt hat.

Nach mehr als 2 Stunden Besichtigung verließen wir die Wolfsschanze in ziemlich bedrückter Stimmung. Es hätte zwar in einigen Kilometern Entfernung noch die Bunker des Hauptquartiers des Oberkommandos des Heeres „Mauerwald“ zu besichtigen gegeben, die beim Verlassen nicht gesprengt wurden und daher noch wesentlich besser erhalten sind als die Bunker der Wolfsschanze, aber es reichte uns bunkermäßig und so fuhren wir weiter nach Mikolajki, das sehr hübsch an einem Kanal zwischen zwei Seen liegt.

Den Wohnmobil-Stellplatz, den es im Ort geben soll, fanden wir nicht, also nahm uns der örtliche Campingplatz gastlich auf. Auch hier wieder nichts Besonderes, aber wenigstens Duschen mit warmem Wasser! Natürlich haben wir eine Dusche im Wohnmobil-Bad, und wir können auch per Boiler selbst warmes Wasser erzeugen, aber wenn man schon für den Campingplatz bezahlt, will man auch seine Einrichtungen nutzen.

Einen Spaziergang entfernt fanden wir ein hübsches Restaurant direkt am See, vor dem ein sehr malerisches Segelschiff ankerte

Das Schiff macht Dinner-Fahrten am Abend – aber leider erst in der Hauptsaison ab 1. Juli, wir sind wieder mal zu früh dran. Egal, das Abendessen im Restaurant am See war sehr lecker und die Aussicht auf den See wirklich schön.

17. Mai

Mikolajki hat für Wassersportler bestimmt sehr viel zu bieten, es gibt eine ganz neue Marina in der viele schicke Segelboote liegen, aber sonst hat der Ort nicht viel Interessantes. Deswegen fuhren wir am nächsten Tag weiter zu unserer nächsten Station nach Krutyn, einem kleinen Ort am Flüsschen Krutynia, in dem ein Campingplatz mit dazugehörigem Restaurant in einem Youtube-Video heftigst empfohlen worden war.

Die Krutynia ist wohl ein Paddler-Eldorado, denn es ist ein schmales Flüsschen, das zwischen Seen sehr malerisch dahin-mäandert

Aber leider war der hochgelobte Campingplatz gar nix, einfach nur eine Wiese mit ein paar Stromanschlüssen, kein Wasser, keine Entsorgungsmöglichkeiten, zwar ein Sanitärgebäude, aber mit uralten Einrichtungen, von denen man nur die Toiletten benutzen konnte, es gab nicht mal warmes Wasser. Hinzu kam, dass – wie man an der dicken Jacke auf dem obigen Bild sieht – immer noch ziemlich kalt war, so dass wir uns überlegten, für eine Nacht zu bleiben und am nächsten Tag weiterzufahren. Zum Abendessen gingen wir trotzdem ins dazugehörige Restaurant Syrenka, das hübsch am Flussufer liegt und auch nett eingerichtet ist. Ruth probierte Pierogi mit Sauerkraut-Waldpilz-Füllung und war total begeistert. In dieser Gegend könnte man sich problemlos von Pierogi ernähren, so groß ist die Auswahl an verschiedenen Füllungen.

18. Mai

Zu unserer Überraschung hatte über Nacht das Wetter umgeschlagen, es war sonnig und sogar schon am Morgen ein bisschen warm. Da fühlt man sich doch gleich ganz anders! Beim Frühstück überlegten wir uns, doch einen Tag zu bleiben und eine Wanderung zu machen. Die Dame an der Rezeption beriet uns ausführlich und empfahl uns eine Wanderung entlang der Krutynia, aber Thomas entschloss sich zu einer längeren Wanderung zum Mokre-See. Es war wirklich sehr idyllisch und gegen Mittag so warm, dass man gut mit offener Jacke laufen konnte, aber zum Paddeln war es uns immer noch zu kalt.

Am Vorabend war unsere erste polnische Gasflasche leer gelaufen und so machten wir uns nach Rückkehr von der Wanderung auf die Suche nach einer neuen Gasflasche. Und wieder eine faszinierende Erfahrung: Krutyn ist ein winziges Kaff, das noch nicht mal Straßennamen hat, sondern nur Hausnummern, und in der 3b gab es nicht nur Gasflaschen zum Tausch, sondern auch noch einen freundlichen Verkäufer, der Deutsch sprach. Die Gasflasche war schnell ausgewechselt – man merkt, dass Thomas allmählich Übung hat.

Nochmal ein Abendessen im Restaurant Syrenka und wieder gab’s Pierogi, diesmal mit verschiedenen Füllungen – und es stellte sich heraus, dass die Sauerkraut-Füllung vom Vortag der Favorit war, die anderen waren zwar auch gut, aber das war eindeutig die leckerste.

19. Mai

Trotz leckerer Pierogi hielt uns in Krutyn nun wirklich nichts mehr, dafür lockte 50 Kilometer weiter der schöne und sehr große Sniardwy-See mit einem sehr empfohlenen Campingplatz in Nowe Guty. Aufgrund der Erfahrung in Krutyn waren wir ob der Empfehlung etwas skeptisch, aber probieren wollten wir’s auf jeden Fall. Und siehe da, Nowe Guty stellte sich zwar nur als kleines Örtchen heraus, aber mit einem schönen Laden, einer riesigen Marina und etwas weiter die Hauptstraße runter mit einem total leeren Campingplatz. Das heißt zwar noch gar nichts, aber er stellte sich tatsächlich als schön heraus – und vor allem mit wirklich modernen Sanitäranlagen.

Wir durften uns aufstellen wie wir wollten und wählten natürlich einen Platz so nah wie möglich am Wasser mit einem tollen Blick auf den See.

Wir durften uns aufstellen wie wir wollten und wählten natürlich einen Platz so nah wie möglich am Wasser mit einem tollen Blick auf den See.

Der Stellplatz war schnell eingerichtet und wir entschlossen uns, zu Fuß zum Laden zu laufen, um zu schauen, was wir einkaufen könnten. Zu unserer Überraschung gab es sogar Tiefkühlpizza zu kaufen, und da wir seit über drei Wochen keine Pizza mehr gegessen hatten, beschlossen wir spontan, unseren mitgeführten Minibackofen auszuladen und zu testen, ob er das bisherige Gerüttel in der Heckgarage überstanden hat.

Gesagt getan, der Backofen war schnell aufgestellt und tatsächlich, er funktionierte problemlos und zum Abendessen gab es zwei Pizzen, die sogar noch ganz annehmbar schmeckten.

Am nächsten Morgen hatten wir strahlenden Sonnenschein und allmählich wurde es sogar so warm, dass Ruth sich auf den Weg zum kleinen Strand machte, um die Wassertemperatur zu testen. Na ja, 16° Celsius am Ufer ist noch nicht wirklich warm, aber es gab kein Halten mehr, sie ging in den See und Thomas musste ein Beweisfoto machen

Das Wasser wird nur sehr allmählich tiefer, so dass man sich ganz gut an die Wassertemperatur gewöhnen kann, aber dort, wo genügend Tiefe zum Schwimmen vorhanden ist, ist das Wasser dann doch nochmal deutlich kälter, ehr als 14° werden das nicht gewesen sein. Aber es ist auszuhalten und wenn man dann wieder rauskam, fühlte sich die Sonne gleich nochmal so warm an.

Der Campingplatz hatte noch mehr Überraschungen parat, es gab einen „Platz“-Storch, der die Wiesen vom Campingplatz und den Strand als sein Territorium betrachtete.

Und es gab wunderschöne Sonnenuntergänge über dem See

Die größte Überraschung war allerdings am dritten Morgen ein Fischotter, der direkt vor unserem Wohnmobil auf dem Weg vor dem Strand saß, dort eine Weile sitzen blieb und dann ganz gemütlich auf die Strandwiese lief, um sich dort häuslich niederzulassen und ein kleines Schläfchen in der Sonne zu machen. Leider war Ruth so sehr damit beschäftigt, den Otter zu beobachten, so dass sie nicht zum Fotografieren kam und als sie daran dachte, war er schon wieder im Wasser. Trotzdem ein tolles Erlebnis, ein wilder Fischotter vielleicht zwei Meter von uns entfernt!

Im Lauf des Vormittags wurde es so warm, dass wir beschlossen, uns ein Kajak zu mieten und etwas auf dem See herumzupaddeln. Wir müssen schließlich unsere Paddel-Fähigkeiten bis Finnland noch auf Vordermann bringen! Unsere Suche bei der örtlichen Marina ergab nur Tret-, Segel- oder Motorboote, aber keine Kajaks. Schließlich fragten wir die Campingplatz-Betreiber und siehe da, natürlich hatten sie auch ein Kajak für uns. Sie waren so freundlich, das gute Stück bis zum Strand zu schleppen, wofür wir ihnen wirklich dankbar waren, denn es war sehr schwer.

Und dann hatten wir tatsächlich viel Spaß auf dem See und stellten fest, dass es besser ging als erwartet. Vor mehr als 20 Jahren hatten wir mal eine Paddel-Tour auf der Ardeche gemacht und waren dabei dauernd im Zick-Zack gefahren. Das kriegten wir diesmal deutlich besser hin, nur der Wind schob unser Kajak immer wieder in eine andere Richtung als wir wollten, wenn wir die Paddel ruhen ließen. Aber macht ja nichts, man kann ja gegensteuern. Nur dass wir uns immer wieder selbst nass spritzten war nicht vorgesehen, das müssen wir noch besser in den Griff kriegen!

Am Abend gönnten wir uns dann noch ein Abendessen im Restaurant der örtlichen Marina – wieder sehr lecker und der Nachtisch genannt „Summer Joghurt“ war der Hammer!