23. Mai
Nach ein paar wunderbaren Tagen am schönen Sniardwy-See wurde wieder eingepackt und weiter ging die Fahrt. Kaum hatten wir uns wieder an das Fahren gewöhnt, war da plötzlich die polnisch-litauische Grenze und dann waren wir schon auf der Autobahn in Richtung Vilnius, wo wir gegen 15 Uhr ankamen und einen Stellplatz direkt am Burgberg von Vilnius fanden. Außer uns standen noch 2 andere Wohnmobile da und ein freundlicher Mainzer, der in einem Campingbus mit seiner Frau und 2 kleinen Kindern unterwegs war (Respekt, Respekt!!!) erzählte uns, dass er schon die letzte Nacht dort verbracht habe und es wirklich ruhig sei. Also schnell den Motorroller aus der Heckgarage geholt und los ging’s zur Erkundung von Vilnius.
Zunächst fuhren wir zur Schwester unserer Housesitterin, um unsere inzwischen in Steinbach eingetroffene Rabattkarte für die norwegischen Brücken und Fähren abzuholen, die sie freundlicherweise per Post nach Vilnius geschickt hatte. Das gab uns einen Eindruck, wie die besser gestellten Einwohner von Vilnius wohnen, da standen zum Teil sehr eindrucksvolle Einfamilienhäuser auf großen Grundstücken mit prachtvollen Gärten. Allerdings: Was wir schon auf der Fahrt im Wohnmobil bemerkt hatten, bestätigte sich jetzt: Die Straßen in Litauen sind mit den polnischen nicht vergleichbar – Schlaglöcher, fehlende Beläge, heftigstes Kopfsteinpflaster, Vilnius rüttelte uns ganz kräftig durch. Trotzdem konnten wir ziemlich schnell schöne Eindrücke gewinnen und uns zurechtlegen, was wir am nächsten Tag unternehmen wollten.
Abendstimmung in Vilnius
24. Mai
Unsere Housesitter hatten uns geholfen, telefonisch einen Service-Termin für unseren Motorroller bei der örtlichen Yamaha-Werkstatt zu vereinbaren, weil die erste Wartung bei 1.000 km fällig war. Am Vorabend hatten wir schon bisschen erkundet, wo wir hinfahren mussten und konnten daher am nächsten Morgen vorher noch ein schönes Frühstück in einem hübschen Cafe in der Fußgängerzone einschieben.
Als wir bei der Yamaha-Werkstatt ankamen, wussten zu unserer Freude die Techniker auch gleich, wer wir sind und wofür wir gekommen waren. Nach einer halben Stunde war die Wartung erledigt und sogar ein lockeres Blech befestigt, von dem wir gar nichts wussten. Der restliche Tag stand also für Besichtigungen und Unternehmungen zur Verfügung.
Vilnius erwies sich als sehr lebendige Stadt mit einer langen Geschichte von Belagerungen und Eroberungen. Besonders auffällig war der Unterschied zwischen den beiden Stadtteilen rechts und links vom Fluss Neris – auf der einen Seite die Altstadt mit der schönen Fußgängerzone, dem Burgberg und vielen Monumenten, auf der anderen Seite die Neustadt mit ganz futuristischen Gebäuden, die sich am Flußufer entlang ziehen und weiter draußen dann Wohnblocks, die teilweise wohl noch aus der Sowjetzeit stammen sowie relativ neu aussehende Wohn- und Industriegebiete.
Der Burgberg ist ziemlich steil und wir entschieden uns spontan, mit dem Schrägaufzug hinaufzufahren, um die Aussicht auf die Stadt zu genießen
Zum Abschluss unserer Erkundung besuchten wir den Stadtteil Uzupis oder Uzupio, der auf einer Insel im Fluss Vilnia liegt. Vilnius wurde vor 1941 auch als „Jerusalem des Ostens“ bezeichnet und sehr viele Juden wohnten in diesem Stadtteil. Nach dem Krieg gab es fast keine Juden mehr in Vilnius und die Gebäude in Uzupis standen leer, in der Sowjetzeit verkam der Stadtteil dann zum Verbrecher- und Prostituiertenviertel. Nach der Unabhängigkeit von Litauen wurde Uzupis allmählich von Künstlern entdeckt, die in die leerstehenden Gebäude einzogen und sie wieder instand setzten.
Aus Spass haben die Uzupis Bewohner 1997 (natürlich am 1. April) die Freie Republik Uzupis ausgerufen. Seitdem gibt es eine eigene Verfassung, einen Präsidenten, eigene Pässe und sogar eine eigene Armee. Die wurde aber wieder abgeschafft, weil keiner Angst vor ihr hatte. Wir setzten uns am „Platz des Posaunenengels“, der das Wahrzeichen der Freien Republik Uzupis ist, vor ein kleines Cafe und genossen es, unseren Kaffee in der Sonne zu trinken.
Ganz erfüllt von den vielen Eindrücken kehrten wir zum Wohnmobil zurück und packten unseren Motorroller wieder in die Heckgarage. Ein Fazit können wir jetzt schon ziehen: Es war eine der besten Entscheidungen ever, einen Motorroller mitzunehmen und ein System in die Heckgarage einbauen zu lassen, um ihn einfach aus- und wieder einzuladen. Eine Erkundungstour wie heute hätten wir nie mit den Fahrrädern geschafft!
Wir beschlossen, heute noch nach Trakai weiterzufahren, das ungefähr 30 Kilometer außerhalb von Vilnius liegt und im Mittelalter sieben Jahre lang die Hauptstadt des Großfürstentums Litauen war. Es soll dort eine sehr schöne Burg auf einer Insel geben, die wir uns anschauen wollten. Die Fahrt war schnell erledigt und wir fanden einen kleinen Stellplatz mit toller Sicht auf den See.
Nur ein kleines Stück die Straße entlang hatte man schon einen herrlichen Blick auf die Burg
Und wir konnten sehen, dass die Schulklassen und Touristen, die den Platz vor der Burg bevölkerten, allmählich in ihre Busse stiegen und wegfuhren. Da wir gelesen hatten, dass die Burg bis 20 Uhr geöffnet sein würde, nutzten wir die Gunst der Stunde und wanderten zum Eingang.
Wie man auf den Bildern sehen kann, hatten wir großes Glück, es hatten nur noch wenige Menschen dieselbe Idee wie wir und so konnten wir uns in Ruhe alles anschauen. Die Burg ist – wie viele andere, die wir inzwischen gesehen haben – mit viel Bemühen um Authentizität restauriert worden. Die Innenräume sind weniger prachtvoll als in der Marienburg, aber trotzdem sehr beeindruckend und man kann sich schon ein Bild davon machen, wie sich das Leben darin abgespielt haben könnte.
25. Mai
Auch am nächsten Morgen war wieder herrliches Wetter und da wir am Vorabend gesehen hatten, dass ein Pfad um die Burg herum führt, machten wir einen Morgenlauf vom Campingplatz zur Burg und von dort aus weiter am See entlang. Dabei entdeckten wir die zweite, ältere Burg von Trakai, die auf der Landseite liegt. Sie wird momentan restauriert und wir konnten nur von außen sehen, dass sie mindestens genauso groß gewesen sein muss wie die Burg auf der Insel.
Nach einem schnellen Frühstück im Wohnmobil ging es auf die Fahrt in Richtung litauische Küste. In Kaunas machten wir mittags einen Stop, um die Altstadt anzusehen und zu Mittag zu essen.
Auch Kaunas hatte eine Burg aber sie wurde früh zerstört und nur teilweise restauriert, aber es gibt zumindest einen sehr netten Turm
Die Altstadt ist aber sehr hübsch und wir schlenderten eine ganze Weile die Fußgängerzone entlang auf der Suche nach dem Hotel, in dem Thomas mal auf einer Geschäftsreise gewohnt und in einem sehr schönen Lokal gegessen hatte, konnten es aber nicht finden. Egal, am Hauptplatz gab es eine Menge ansprechender Lokale und so gab es ein leckeres Mittagessen mit einem traditionellen litauischen Getränk dazu, Kwas, das ist ein Brottrunk aus fermentiertem Roggenbrot. Sehr süß und interessanter Geschmack!
Hinter Kaunas hatten wir die Wahl zwischen der schnellen und kürzeren Route über die Autobahn oder einer längeren Route entlang des Flusses Nemunas, der ehemaligen Memel und entschieden uns für die längere Alternative. Die Straße führte manchmal direkt neben dem Fluss entlang, aber die meiste Zeit durch sehr große Getreidefelder und Ackerflächen und kleine Dörfer. Wir fuhren, bis unser Führer einen angenehmen Campingplatz bei Silene empfahl und hielten dort an. Der Platz ist hübsch angelegt mit kleinen Teichen, in denen eine Menge Frösche wohnten und ein kräftiges Quak-Konzert veranstalteten, es gab Strom und warme Duschen – was will man mehr? Die Betreiberin war sehr freundlich, aber leider hatte das im Führer empfohlene Restaurant direkt neben dem Platz noch geschlossen, schade. Na was soll’s, wir haben ja genügend Vorräte dabei um uns selbst zu versorgen.
26. Mai
Ein eifriger Aufsitzrasenmäher weckte uns, der unbekümmert um die Teiche kurvte und die Wiese mähte. Die hatte es zwar noch nicht wirklich nötig, aber kurz gemäht sieht sie halt noch gepflegter aus als es eh schon der Fall war. Da wir Fans von Aufsitzrasenmähern sind, machte uns das nicht wirklich was aus, wir fanden es eher lustig. Leider ist ja unser eigenes Grundstück in Steinbach nicht so groß, dass sich ein Aufsitzrasenmäher lohnen würde, aber hier ist so ein Gerät genau richtig.
Der Fahrer war sehr freundlich und versuchte uns zu erklären, wo wir seiner Meinung nach alles hinfahren müssen, wir verstanden nur leider sehr wenig. Aber egal, wir hatten eh schon einen Plan, ein Stück weiter soll es ein Dorf geben, in dem eine ganze Storchenkolonie wohnt und das wollten wir uns anschauen.
Weiter ging es die Straße 141 entlang der Memel, mal nahe am Fluss, mal weiter weg. Nach Bitenai, dem Storchendorf, mussten wir von der Hauptstraße einige Kilometer Richtung Memel fahren und als wir zum Ort kamen, sahen wir – erstmal gar nichts. Wir fuhren durch das Dorf, das nur aus wenigen Häusern besteht, um auf der anderen Seite eine Möglichkeit zum Umdrehen zu finden. Ungefähr hundert Meter außerhalb des Dorfes parkte ein Polizeiwagen am Straßenrand, der plötzlich losfuhr, als wir umdrehten und uns zum Anhalten aufforderte. Der Polizist wollte sehr genau wissen, was wir hier wollen, wollte die Fahrzeugpapiere und den Führerschein sehen und schaute sogar ins Wohnmobilinnere. Uns wurde klar, dass wir uns nur wenige hundert Meter von der russischen Grenze befanden und man wohl sehr aufpasst, wenn sich da plötzlich Fremde herumtreiben. Er gab sich mit der Erklärung zufrieden, dass die verrückten deutschen Touristen nach Störchen suchen und ließ uns weiterfahren. Auf der Fahrt zurück durch’s Dorf sahen wir plötzlich, was wir vorher nicht gesehen hatten – die Bäume, auf denen wirklich Störche nisten. Anders als sonst wohnen die Störche in Bitenai auf Kiefern, nicht auf Hausdächern oder extra aufgestellten Pfählen. Und anders als sonst wohnen sie auch richtig dicht beieinander, manche Nester sind vielleicht fünf Meter vom nächsten entfernt – sehr ungewöhnlich. Leider kommt das auf den Fotos nicht so deutlich heraus, aber besser als nichts:
Nach gebührender Storchenbewunderung fuhren wir weiter Richtung Memeldelta und landeten in Sysa, einem winzigen Ort am Ufer der Atmata, einem großen Nebenarm der Memel. Hätten wir nicht die Ortsangabe des WoMo-Führers, wären wir nicht im Traum auf die Idee gekommen, diese Straße zu fahren, die sich kurz nach der Abbiegung in eine unangenehme Schotterpiste verwandelte. Schotterstraßen sind ja nicht so schlimm, wenn sie nicht die Tendenz hätten, sich zum Waschbrett zu entwickeln, was hier leider der Fall war. Also rumpelten wir langsam durch den Schilfgürtel und an den paar Häusern entlang bis wir die Geokoordinaten erreicht hatten, die im Führer angegeben waren – und tatsächlich, da war ein Schild!
Der Stellplatz hier liegt quasi im Garten des Betreibers und ist liebevoll angelegt mit vielen Sträuchern und Blumen, mehreren Miethütten, einem Volleyballplatz, einer Grillhütte und einer Sauna. Leider war es sehr kalt und ziemlich windig, sogar der Betreiber fand es kalt und bedauerte etwas, dass wir bei dem schönen Wetter eher nicht baden könnten – auf die Idee wären wir nun wirklich nicht gekommen. Trotzdem ist es sehr schön hier
Und das kleine Sanitärgebäude ist allerliebst eingerichtet
Gegen Abend wurde uns klar, dass wir eher froh sein konnten über den kalten Wind, denn sobald der nachließ, stiegen Myriaden von Mücken auf – im Sommer muss das ja sehr lästig sein. Uns war’s egal, wir machten es uns im Wohnmobil gemütlich.
27. Mai
Am nächsten Morgen hatte der Wind nachgelassen und es war schon fast angenehm warm – jedenfalls warm genug für die Mücken und so machten wir uns relativ früh wieder auf die Weiterfahrt in Richtung Ostsee.
Klaipeda erwies sich als nicht sehr interessant, deswegen ließen wir die Stadt aus. Die Straße führte jetzt parallel zur Ostseeküste in Richtung lettische Grenze. Ungefähr 10 Kilometer außerhalb von Klaipeda fanden wir Karkle (früher Karkelbeck), einen kleinen Badeort mit den sehr ansprechenden Campingplatz No 409, der nur 100 Meter von der Ostseeküste entfernt am Uferwald liegt. Sogar eine ganz nett aussehende Kneipe war gleich um die Ecke, das versprach eine schnelle Mahlzeit, wenn wir keine Lust hatten, uns selbst etwas zu brutzeln.
Außer einem einzigen litauischen Campingbus waren wir wieder mal allein auf dem Platz. Wir durften uns den Stellplatz aussuchen und richteten uns ein, diesmal sogar mit den Auffahrkeilen, um möglichst gerade zu stehen, denn wir wollten hier ein paar Tage bleiben. Jetzt wurde auch das erste Mal überhaupt die Markise ausgefahren – nicht dass es wirklich nötig gewesen wäre, denn die Sonne war eher angenehm warm, aber wir wollten es endlich mal ausprobieren.
Hier sieht man schon, wie hübsch auch dieser Campingplatz wieder angelegt war. Die Betreiberin gärtnerte während unseres ganzen Aufenthaltes herum, um ihn weiter aufzuhübschen. Es gab alles, was der Camper so braucht, nur das Wasser, das aus dem Hahn kam, roch ziemlich nach Schwefel – aber dafür kann ja der Campingplatz nichts.
Die Ostseeküste war tatsächlich nur einen kleinen Fußmarsch von unserem Wohnmobil entfernt und sehr idyllisch – beste Voraussetzungen für lange Strandspaziergänge und einen angenehmen Aufenthalt.
Ruth machte sich gleich am ersten Abend auf die Suche nach Bernstein, wurde auch fündig und war sich aber nicht sicher, ob es sich wirklich um Bernstein handelte oder nur um bernsteinfarbige Steinchen. Zur Sicherheit wurde ein Sammelglas angelegt, in dem die Funde zwecks späterer Analyse gesammelt werden.
Leider erwies sich die Kneipe um die Ecke als nicht unbedingt geeignet für weitere Besuche, das Bier war zwar gut, aber das Essen nur so la la. Na ja, versorgen wir uns halt wieder selbst.
28. Mai
Nach einer sehr ruhigen Nacht mit entfernt hörbaren Meeresrauschen packten wir den Motorroller aus und fuhren nach Palanga, einem ungefähr 20 Kilometer entfernten Badeort. Die Überraschung war groß, es war unglaublich was los, viele Menschen schlenderten auf der Fußgängerzone herum, es gab viele Stände mit Souvenirs und unglaublich viele Restaurants und Kneipen. Auch eine ziemlich lange Seebrücke, auf der man ein Stück weit auf die Ostsee hinauslaufen konnte und natürlich einen sehr schönen Strand
Seitlich der Seebrücke fanden wir einen richtig großen Park, in dem ein Bernsteinmuseum liegt, das wir uns anschauen wollten – aber leider war es, trotz anders angegebener Öffnungszeiten, geschlossen. Der Park war aber auch ohne Bernstein sehr schön.
Eigentlich wollte Ruth sich ja im Museumsshop des Bernsteinmuseums ein Bernsteinarmband kaufen, aber da es geschlossen war, gingen wir auf dem Rückweg in einen Bernsteinladen, in der Hoffnung, dort fündig zu werden. Die Preise waren exorbitant und dazu hin war so ein einfaches Armband, wie es uns vorschwebte, gar nicht zu finden. Also lieber beim Souvenirladen an der Fußgängerzone um kleines Geld ein Armband erstanden, unter Inkaufnahme des Risikos, dass es in Wirklichkeit aus Plastik oder Pressbernstein besteht. Was soll’s, die Erinnerung zählt!