3. Juli

Die Nacht am Flussufer in Rovaniemi war genauso ruhig wie erwartet, so dass uns erst der Wecker aus dem Schlaf riss, den wir vorsichtshalber gestellt hatten, um frühzeitig bei der Mercedes-Werkstatt aufzuschlagen. Schnell waren die Betten gemacht und alles aufgeräumt und wir machten uns auf den Weg – als Thomas plötzlich auffiel, dass die Fehlermeldung nicht mehr kam. Tatsächlich, sie kam nicht nur nicht mehr, sondern sie war auch nicht mehr im Fehlerspeicher zu finden.

Frohgemut machten wir uns auf, das Santa Claus Village aufzusuchen, wo auch das berühmte Polarkreis-Denkmal steht. Im Sommer und zu dieser frühen Uhrzeit macht das Santa Claus Village nicht wirklich viel her, wahrscheinlich braucht es Schnee und viele bunte Lichter bei Dunkelheit, um diesem Ort den Charme zu verleihen, der die Touristen so magisch anzuziehen scheint. Wir waren jedenfalls schnell fertig damit

Einmal Fotos am Polarkreis, einmal eine schnelle Durchsicht des Souvenir-Shops, um den richtigen Polarkreis-Magnet für unsere Kühlschranktür zu finden, und eine kurze Stippvisite beim Weihnachtsmann, der gern mit uns ein Foto gemacht hätte – für das wir dann 35 Euro hätten zahlen dürfen, Danke, Nein. Es lag natürlich auch an der nicht so angenehmen Temperatur von nur 11 Grad Celsius, dass wir keine Lust auf einen längeren Aufenthalt hatten. Aber was will man vom Polarkreis schon erwarten, da herrschen nun mal polare Temperaturen – oder auch nicht, wie wir bei der weiteren Fahrt noch erleben werden.

Von Rovaniemi sollte es jetzt ca. 250 Kilometer quer durch Finnland nach Osten zum Oulanka Nationalpark gehen, der kurz vor der russischen Grenze liegt. Dort empfiehlt unser Führer den Pieni Karhunkierros Trail, auf Deutsch die kleine Bären-Runde. Die heißt so, weil es da nur kleine Bären gibt – nein Quatsch, es gibt einen Karhunkierros (=Bären)-Trail, der insgesamt über 80 Kilometer lang ist und die kleine Bären-Runde geht einen Teil dieses Trails entlang und biegt dann wieder zurück zum Ausgangspunkt, so dass man eine schöne Rundwanderung machen kann.

Auf der Fahrt gen Osten hatte unser Düse genau um 16:22 Uhr 10.000 gefahrene Kilometer auf dem Tacho, Wahnsinn! Wir waren bei 3.236 losgefahren, das heißt, jetzt schon fast 7.000 Kilometer unterwegs.

Wir hatten zunächst etwas Schwierigkeiten, den richtigen Einstieg in unseren Trail zu finden, weil dieser Nationalpark mehrere Besucherzentren hat und wir natürlich erst mal im falschen landeten, wo man uns freundlich darüber aufklärte, wo wir in Wirklichkeit hinmüssten, nämlich 20 Kilometer weiter ziemlich mitten in die Pampa. Auf dem Weg zum richtigen Parkplatz begegneten sie uns – unsere ersten Rentiere! Kaum den Polarkreis überquert und schon waren sie da und blockierten die Straße

Wir fanden den Parkplatz und da es schon später am Tag war und eher nach Regen aussah beschlossen wir, die Nacht hier zu verbringen und die kleine Bären-Runde am nächsten Tag anzugehen. Am Parkplatz gab es zwar ein Schild das „no camping“ angab, aber das war so angebracht, dass man es als nur für die Hälfte des Platzes gültig interpretieren kann und daran hielten wir uns, d.h. wir stellten uns auf die andere Seite. Das war eine sehr weise Entscheidung, denn ungefähr eine Viertelstunde, nachdem wir sie getroffen hatte, regnete es in Strömen.

4. Juli

Wie erhofft hatte sich kein Mensch daran gestört, dass wir die Nacht auf dem Parkplatz des Trails verbracht hatten, nur kamen die ersten Wanderer schon relativ früh am Morgen und mit der Ruhe war es vorbei. Das Wetter war immer noch nicht wirklich schön und es gab auch noch zwei, drei kurze Regenschauer, die wir abwarteten, aber dann zogen wir los.

und wir hatten wieder mal ein Riesen-Glück, das Wetter hielt nicht nur, es wurde tatsächlich besser. Der Wanderweg war erst mal ein sehr breiter, geschotterter Weg, auf dem man auch prima mit dem Fahrrad fahren könnte, änderte sich dann aber bald in einen stark mit Wurzeln und Steinen durchsetzten Pfad, bei dem man acht geben musste, wohin man seine Füße setzte. Trotzdem war er sehr schön, er führte mit Hängebrücken mehrmals über den Fluss und an diesem entlang, so dass es immer wieder schöne Ausblicke gab.

Allerdings hatten wir nicht erwartet, dass es so steil auf und ab gehen würde, wie es sich dann herausstellte, teilweise waren die Steigungen so steil, dass man Holztreppen gebaut hatte, um sie zu überwinden. Insgesamt muss man sagen, dass der Pfad supergut angelegt und markiert ist und wirklich Spaß machte.

Was wir teilweise nicht so spaßig fanden, war die Warterei an den Hängebrücken, weil sich andere Wanderer teilweise sehr ausgiebige Fotostrecken auf den Brücken gönnten, und da sich immer nur maximal 4 Personen auf den Brücken aufhalten sollten, gab’s schnell mal einen Stau. Ein solcher führte aber zu einer großen Überraschung, als wir auf dem Plateau vor der Hängebrücke anstanden, tauchte plötzlich vor uns eine Rentier-Mama mit einem kleinen Kalb auf, das nur wenige Tage alt sein konnte, und zog ganz vertrauensvoll direkt an uns vorbei.

Man konnte den Eindruck haben, dass die Tiere wissen, dass die Menschen ihnen nichts tun würden und darauf bauen, dass wir ihnen selbstverständlich Platz machen.

Der Fluss wandelte sich ständig, mal floss er breit und behäbig dahin, mal stürzte er sich durch einen engen Durchlass oder über Stromschnellen, dadurch wurde die Wanderung sehr abwechslungsreich.

Und dann waren da noch diese Treppen, an den Kallioportti mussten wir über mehr als 350 Treppenstufen von Flusshöhe auf das Steilufer hinaufsteigen – hinterher wollten wir erst mal ausgiebig verschnaufen und die Aussicht genießen.

Nach etwas mehr als 12 Kilometern langten wir erschöpft, aber glücklich wieder an unserem Wohnmobil an und gönnten uns erst mal eine Ruhepause, bevor wir uns auf die Weiterfahrt machten, die uns weiter in den Norden, aber auch wieder zurück in die Mitte Finnlands bringen würde.

Wir landeten am Pyhä-Nattanen, einem Skigebiet, wo wir die Nacht auf einem abgelegenen Parkplatz in der Nähe eines kleinen Sees verbrachten.

5. Juli

Am nächsten Morgen machten wir eine kleine Wanderung rund um den See, die an einem Hotel endete, wo eine ganze Herde Rentiere scheinbar auf irgendwas wartete. Die meisten Tiere standen einfach nur vor einem Eingang des Hotels herum, aber einige hatten es sich auch auf dem Gras bequem gemacht. Worauf sie warteten, konnten wir nicht herausfinden.

Auch hier wieder dasselbe wie am Vortag: Die Rentiere gingen davon aus, dass wir ihnen nichts tun und ihnen aus dem Weg gehen. Was wir schon allein deswegen taten, weil die armen Tiere von unzähligen Bremsen umschwirrt wurden, die sie quälten und die auch gern mal einem Menschen Blut abzapfen würden – was wir gern vermeiden wollten.

Weiter ging die Fahrt über Sodankylä nach Kittila und weiter nach Sirkka, wo wir für die Nacht wieder einen Campingplatz ansteuerten, der in unserer SFC-Broschüre verzeichnet war, weil wir dringend mal wieder waschen mussten. Die Levilehto Apartments & Camping begrüßten uns sehr freundlich und wir nutzten am Nachmittag und Abend ausgiebig die Waschmaschine und den glücklicherweise vorhandenen Trockner.

6. Juni

Es sollte weitergehen zum Taivaskero, einem besonderen Berg im Südwesten von Lappland, wo im Sommer 1952 das olympische Feuer entzündet worden war. Zuerst machten wir allerdings einen Stopp im Skigebiet Levi Resort, wo es gleich zwei Sportgeschäfte gab, weil Thomas‘ Wanderschuhe nach der kleinen Bärenrunde ihren Dienst eingestellt hatten. Man muss allerdings dazu sagen, dass sie wahrscheinlich schon 20 Jahre auf dem Buckel hatten und dann löst sich schon mal der Kleber der Sohlen auf …. Auch hier wieder dasselbe wie schon in Himo, Levi liegt nicht besonders hoch, aber im Winter scheint hier der Bär zu steppen, es gibt einige Skilifte sowie viele Pisten – darunter sogar schwarze Abfahrten – und Loipen und aus der großen Anzahl von Restaurants, Kneipen und Bars konnten wir schließen, dass sich hier im Winter eine Menge Menschen amüsieren.

Der Intersport in Levi hatte massiv reduziert und so gab es für Thomas ein Paar tolle neue Wanderschuhe und für Ruth eine regendichte Wanderhose und eine Leggins zum Drunterziehen sowie für beide von uns je ein Paar Wandersocken, die angeblich Moskitos und Zecken abschrecken sollen. Nach den Erlebnissen der letzten Tage, bei denen Moskitos immer mal wieder über uns hergefallen waren, lockte uns dieses Versprechen ganz besonders.

Auf der Weiterfahrt informierte uns ein Schild am Straßenrand, dass wir nun im Rentier-Zuchtgebiet angekommen seien und prompt trieb sich auch gleich eine ganze Herde von ihnen auf der Straße herum.

Am Mittag erreichten wir das Pallas Hotel Taivaskero, von dessen Parkplatz aus der Wanderweg zum Taivaskero losgeht und stellten uns dort möglichst auf, da wir vorhatten, wandern zu gehen und anschließend die Nacht hier zu verbringen. Interessanterweise stand auch vor diesem Hotel wieder eine Herde Rentiere herum und wartete auf irgendwas – auch hier fanden wir nicht heraus, worauf.

Thomas bewaffnete sich mit seinen neuen Wanderschuhen und Ruth sich mit ihrer neuen Wanderhose und wir zogen los, um den Taivaskero zu besteigen. Etwas ärgerlich waren wir, weil wir den Einstieg in den Wanderweg nicht gleich finden konnten und erst nach etwas ziellosem Herumlaufen ein Hinweisschild fanden und losgehen konnten. Der Weg war breit und einfach zu gehen und wurde erst allmählich steiler, aber immer noch sehr gut zu gehen, so dass Ruth sich fragte, ob es wirklich sinnvoll gewesen war, ihre Walking-Stöcke mitzunehmen, die ihr schon auf der kleinen Bären-Runde gute Dienste geleistet hatten. Allerdings stellte sich heraus, dass wir den Weg scheinbar in die gegenläufige Richtung aufstiegen, denn die Hinweisschilder zeigten alle bergab. Wir hatten aber keine Lust, nochmal abzusteigen und den richtigen Aufstieg zu suchen und gingen weiter – schließlich ist es dem Berg egal, aus welcher Richtung man ihn besteigt.

Wir kamen allmählich höher und es erschlossen sich schöne Ausblicke auf die finnische Seenlandschaft und die umliegenden „Tunturi“ (so nennt man hier die Berge), die alle mehr oder weniger dieselbe Form haben, weil sie bei der letzten Eiszeit durch die riesigen Gletscher abgeschliffen worden waren, die sich damals über ganz Lappland – und natürlich noch viel weiter südlich – erstreckten.

Der Aufstieg sollte 4 Kilometer lang sein und uns etwas mehr als 400 Höhenmeter hoch bringen und nach 1 ¼ Stunden kamen wir allmählich in Gipfelnähe. Hier änderte sich der Wanderweg, der bislang so angenehm zu gehen gewesen war, massiv in eine sehr unangenehme Geröllhalde. Aber was soll’s, der Gipfel war nahe und so störte uns das nicht weiter.

Endlich oben am Gipfel – na ja, es war halt viel Geröll und ein aufgeschichteter Geröllhaufen mit einem Schild, dass hier im Jahr 1952 das olympische Feuer entzündet wurde. So wirklich Gipfelstimmung kam da nicht auf, aber die Aussicht war doch sehr schön.

Thomas vor dem Gipfelschild des Taivaskero – man beachte die neuen Wanderschuhe!

Zur Belohnung für den Gipfelsturm gab es etwas zu trinken und je einen Apfel, dann beratschlagten wir, wie wir absteigen wollten. Wir kannten ja nun den Aufstieg, der eigentlich der Abstieg sein sollte und wussten, dass der ganz angenehm zu gehen war. Aber denselben Weg wieder zurück? Es sollte ja eigentlich eine Rundwanderung werden und daher entschlossen wir uns, auf der anderen Seite abzusteigen. Die schönen Ausblicke belohnten uns für die Mühen

und an einer etwas harmloseren Stelle stand – quasi als Motivation – ein einsames Rentier quer über den Weg und ließ sich auch von uns nicht stören

Aber insgesamt erwies sich die Entscheidung, auf der anderen Seite abzusteigen, als ziemlicher Fehler, denn die Geröllhalden zogen sich über den gesamten Hang und der war auf dieser Seite wesentlich steiler, was den Abstieg insgesamt sehr unangenehm machte. Jedesmal wenn wir dachten, jetzt hätten wir das Geröll endlich hinter uns, bogen wir um eine Ecke und da war das nächste Geröllfeld. Jetzt war Ruth total froh, sich auf ihre Walkingstöcke stützen zu können, um sich im Geröll sicherer zu fühlen, schneller ging es dadurch allerdings nicht wirklich.

So waren wir extrem erleichtert, als wir endlich wieder am Parkplatz ankamen und unsere müden, angestrengten Füße aus den Wanderschuhen befreien und ausruhen konnten. Zur Belohnung beschloss Thomas, dass es Abendessen im Pallas Hotel geben sollte, womit Ruth sehr gern einverstanden war.

Als Vorspeise teilten wir uns eine Platte mit „Lappish Delicacies“, die aus mariniertem Rentierfleisch, gerauchtem Fisch, marinierten Pilzen und einem traditionellen Käse aus Lappland mit Moltebeeren-Relish bestanden. Unser erstes Rentier-Fleisch – und sehr, sehr lecker. Als Hauptgang hatte sich Ruth für zweierlei Rentier-Fleisch (gebratenes Filet und gerauchte und geschmorte Haxe) und Thomas für arktischen Saibling entschieden, beides eine sehr gute Wahl. Zum Nachtisch gab es einen Spruce-Cake, einen Biskuit, der mit Fichten-Nadeln aromatisiert war, mit Moltebeeren und Meringue. Das war das erste Mal dass wir das Gefühl hatten, authentische finnische Gerichte zu essen, denn was wir bisher auf den Restaurant-Karten gefunden hatten, erstreckte sich über Burger, Wraps, Kebap und Pizza bis zu Sushi – alles nicht sehr finnisch.

Hinzu kam, dass das Restaurant sehr hübsch im alpin-finnischen Stil eingerichtet und sehr gemütlich war. Der Abend gefiel uns rundherum und wir fielen müde und glücklich in unsere Betten.

7. Juli

Die Nacht war so ruhig gewesen wie die Aussicht schön – nur störte uns allmählich, dass es nachts nicht mehr dunkel wurde, im Gegenteil, die Sonne schien auch noch um 1 Uhr morgens so hell ins Wohnmobil, dass wir nur noch unruhig schliefen. Nach einem kurzen Frühstück verabschiedeten wir uns von unserem schönen Standplatz und brachen auf in Richtung Inari-See, unserer nächsten Station.

Jetzt galt es eine Entscheidung zu treffen, denn es gibt zwei Wege vom Taivaskero zum Inari-See, einen langen, bei dem wir unsere Herfahrtroute bis Sodankylä zurückfahren müssten, um dort nach Norden abzubiegen. Oder einen kürzeren, der dazu auch noch durch sehr abgelegenes Terrain führt, was uns gefallen würde, aber leider zu einem langen Teil aus Lehm-Schotterpiste besteht, was uns weniger gefallen würde. Im Führer steht etwas von über 60 km solcher Piste, aber Ruth hatte entdeckt, dass sich eine Porsche Teststrecke an dieser Route befindet und wir konnten uns nicht vorstellen, dass Porsche damit einverstanden wäre, sämtliche Ausrüstung für die Testfahrten über ein Lehm-Schotterpiste heranschaffen zu müssen. Also entschieden wir uns für die kürzere Variante und nahmen das Risiko in Kauf.

Zunächst führte uns diese Route zurück nach Sirkka, wo wir vor drei Tagen übernachtet hatten, aber dann bog sie ab nach Norden und in sehr dünn bis gar nicht mehr besiedelte Gebiete. Unser Kalkül ging wenigstens teilweise auf, denn die ersten 20 Kilometer der angekündigten Lehm-Schotterpiste waren bestens asphaltiert und sahen recht neu aus. Nach diesen 20 Kilometern fanden wir dann tatsächlich die Porsche Teststrecke, die allerdings nur im Winter benutzt wird und sich jetzt im Sommerschlaf befand. Immerhin stand da ein Schild hinter einem Zaun im Wald:

uns etwas abseits stand ein typisch finnisches Holzhaus mit Porsche-Emblem, das im Winter bestimmt sehr gemütlich wirkt. Ein Stückchen weiter fanden wir dann eine riesige Blumenwiese, die im Winter vermutlich für Fahrtests genutzt wird

Außerdem standen noch ein paar Werkstatt-Gebäude im Gelände, aber es war offensichtlich kein Mensch da. Kurz hinter dieser Teststrecke begann dann die gefürchtete Lehm-Schotterpiste – und stellte sich als gar nicht so schlimm heraus. Entgegen der Ankündigung in unserem WoMo-Führer hatte sie glücklicherweise nur an ganz wenigen Stellen den schlimmen Waschbrett-Charakter, die meiste Strecke war einfach eine Mischung aus festgefahrenem Lehm und Schotter mit gelegentlichen Schlaglöchern, die aber gut zu erkennen waren, so dass man entweder drumrum fahren oder rechtzeitig bremsen konnte. Auch diese Piste war, wie viele Straßen in Finnland, über weite Strecken kerzengerade

Zu unserer Überraschung begegneten uns durchaus andere Fahrzeuge, unter anderem auch ein französisches Wohnmobil, das uns erst vor sich her jagte und als wir es überholen ließen, in einer Geschwindigkeit an uns vorbei und weiter zog, die wir unserem Fahrzeug nicht antun wollten. Aber wir haben ja Zeit, andere Leute sind halt nicht so glücklich dran.

Nach 40 Kilometern endete die Lehm-Schotterpiste in Pokka und wir konnten dann doch wieder entspannter auf Asphalt weiterfahren, allerdings immer noch auf einer kleinen Nebenstraße, die aber immerhin direkt nach Inari führte.

Der Ort Inari war eine Enttäuschung, es gab zwei größere Supermärkte, einen Baumarkt, eine Tankstelle und einige Souvenirläden sowie ein Sami-Museum, ein Naturkundemuseum und eine Bootsanlegestelle, von der aus man Bootstouren auf dem Inari-See unternehmen kann – wenn dann ein Boot fährt. Außerdem gab es einen Campingplatz, der aber so hässlich aussah, dass wir ihn auf keinen Fall in Anspruch nehmen wollten. Offensichtlich ging es auch anderen Leuten so, aber der Campingplatz-Betreiber hatte im Ort offensichtlich eine Lobby, denn an sämtlichen Parkplätzen waren mehrfach Schilder aufgestellt „No overnight stay“.

Das war uns erst mal gleichgültig, denn für den Nachmittag hatten wir den Juutua Nature Trail auf’s Programm gesetzt, einen Wanderweg, der in Inari startet, einige Kilometer dem Fluss Juutuanjoki folgt, ihn dann auf einer Hängebrücke überquert und auf der anderen Fluss-Seite wieder nach Inari zurück führt. Wir hatten mehrere Hinweis-Schilder auf den vom Auto aus gesehen und so fanden wir diesmal den Einstieg ganz einfach.

Der Weg führte durch einen lichten Kiefernwald, in dem viele größere und kleinere, mit Moos bewachsene Felsbrocken herumlagen, als ob sie ein Riesen-Bagger hier abgeladen hätte.

Der Weg blieb so gut ausgebaut und beschildert, wie er angefangen hatte und wäre sicherlich auch mit einem Kinderwagen leicht zu bewältigen. Immer wieder gab es schöne Ausblicke auf den Fluss und seine Stromschnellen

bis wir ihn schließlich über die angekündigte Hängebrücke überquerten.

Auf dem Weg zurück zum Ort kam uns dann noch ein putziger Geselle in die Quere

warum er hier stand war nicht zu erkennen und er hat es uns auch nicht verraten. Nach weiteren 2 Kilometern waren wir schnell wieder zurück in Inari. Am nächsten Tag wollten wir einen etwas anspruchsvolleren Weg ausprobieren, der zu einer Wildnis-Kirche ungefähr 10 Kilometer außerhalb von Inari führen sollte und weniger gut ausgebaut sein sollte.

Aber zunächst war Übernachtungsplatz-Suche angesagt, was angesichts der vielen Verbotsschilder eine Weile dauerte. Wir fanden trotzdem einen geeigneten Platz in der Nähe eines Sportplatzes neben einem kleinen See, ziemlich versteckt abseits der Straße und richteten uns für die Nacht ein, nicht ohne vorher noch für den nächsten Abend einen Tisch im besten Restaurant zu buchen, das Lappland zu bieten hat und das sich in einem Wilderness-Hotel in Inari befand.

Der Standplatz war schön und ruhig, wenn man von ein paar jugendlichen Spinnern absieht, die es lustig fanden, mit dem Auto direkt neben unser Wohnmobil zu fahren und uns mit ihren Bässen zu beschallen. Glücklicherweise zogen sie schon nach ein paar Minuten wieder ab, das Ganze wiederholte sich während der Nacht noch zwei Male und wir wachten auch jedes Mal auf, schliefen aber gleich wieder ein, nachdem die Spinner weitergezogen waren.

8. Juli

Wir schliefen wieder ziemlich lang – das hatte sich die letzten Tage so entwickelt, so dass wir nach einem gemütlichen Frühstück erst so gegen 11 Uhr zu unserer geplanten Wanderung zur Wildniskirche aufbrachen.

Die erwies sich dann tatsächlich als anspruchsvoller als die gestrige, aber wunderschön. Das Wetter war – wenn überhaupt möglich – noch genialer als am Vortag und die Lufttemperatur genau richtig für eine Wanderung, nicht zu warm, aber so windstill, dass eine Jacke überflüssig war.

Es ging von See zu See wieder durch lichten Kiefern- und Birkenwald und glücklicherweise ohne die heftigen Moskito-Schwärme, die wir andernorts schon erlebt hatten. Auch von Bremsen wurden wir nicht behelligt, so dass die Wanderung richtig Spaß machte.

Leider waren wir so spät losgegangen, dass wir in Gefahr gerieten, unser geplantes Lounas-Buffet nicht mehr mitnehmen zu können, deswegen drehten wir kurz vor der Kirche um und marschierten zurück nach Inari, zum Restaurant im Sami-Museum, wo es eben dieses Angebot gab.

Lounas-Buffet ist eine Institution in Finnland und wird in vielen Raststätten und Restaurants über Mittag angeboten. Es besteht aus einem Salat-Buffet und mehreren warmen Gerichten, meistens ein Fleisch- und ein Fischgericht sowie Beilagen wie Kartoffeln, Gemüse und Saucen. Außerdem gibt es mindestens ein Dessert und Getränke wie Wasser und Saft sowie Kaffee und Tee, die im Preis für das Lounas inbegriffen sind.

Wir hatten diese Buffets schon häufig gesehen, aber nie probiert, weil wir mittags meist nicht viel essen, aber wir wollten es unbedingt mal testen und heute war genau der richtige Tag dafür. Und es war so wie erwartet, einfache, herzhafte Familienküche, gerade richtig für eine Mittagsmahlzeit nach einer Wanderung. Und wir waren noch früh genug dran, um bis zum Abendessen wieder Appetit zu haben, schließlich freuten wir uns schon auf das schicke Essen.

Das erfüllte dann auch unsere Erwartungen, das Restaurant war etwas kahl und nüchtern eingerichtet, aber mit einem schönen Blick auf den Fluss und seine Stromschnellen. Das Essen war finnisch-kreativ, einen Tick abgehobener als das Essen bei Pallas Hotel am Taivaskero, aber mit ähnlichen Zutaten, von denen viele – wie beispielsweise Pilze und Beeren – direkt aus den umliegenden Wäldern stammten. Die Vorspeise bestand wieder aus Rentierfleisch, das mariniert und leicht angeraucht worden war, die Hauptspeise war eine gut gebratene Lachsforelle, beides war sehr gut, aber der Clou war Ruth’s Nachtisch: Birkensorbet mit einer Creme, die mit Angelica-Wurzel aromatisiert worden war, Süßholz-Brocken und Keks-Chips mit wilden Kräutern. Sowas hatten wir noch nie gegessen und es war unglaublich aromatisch, wirklich ein Erlebnis.

9. Juli

Wieder schliefen wir ziemlich lange, der Hotelparkplatz war von großen Bäumen umstanden, die uns Schatten spendeten, und so wurden wir nicht durch die Sonne, die nicht mehr ganz untergeht, frühzeitig wach, wie immer mal wieder in den letzten Tagen. Nach einem kurzen Frühstück suchten wir nochmal den örtlichen Supermarkt auf, um unsere Vorräte zu ergänzen, denn allmählich ging es in die wirkliche Wildnis.

Wir fuhren weiter in Richtung Norden, allerdings nicht auf der Hauptroute Richtung Nordkapp, sondern weiter auf einer Nebenstrecke, die uns nach Kirkenes bringen würde. Auf dem Weg kamen wir zum Sevettijärvi, einem großen See – wenn auch lang nicht so groß wie der Inari, aber er gehört zu selben Seengebiet wie dieser. Allerdings ist es viel zugänglicher als der Inari und hat einen wunderschönen Strand, an dem wir Halt machten, um die Umgebung zu genießen und uns dann auch für die Nacht einrichteten. Ruth wollte eigentlich schwimmen gehen, aber angesichts der vielen Bremsen, die leider hier wieder unterwegs waren, strich sie diesen Programmpunkt wieder. Wir standen aber so schön am See, dass man auch gut die Landschaft und die schöne Aussicht aus dem Fenster des Wohnmobils genießen konnte. Hin und wieder ließ sich auch ein Rentier blicken und trabte am Strand entlang – was für eine Idylle!